Organspende – Meine Entscheidung

Shownotes

Herzlich willkommen zur zweiten Folge des Podcasts „Sag mal …: Über Organspende reden“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Eine Entscheidung zu treffen ist nicht immer leicht. Die sehr persönliche Entscheidung für oder gegen eine Organ- oder Gewebespende will gut überlegt sein. Aber wie trifft man eine so wichtige Entscheidung und was braucht man dazu? Wie frei und unabhängig kann ein Mensch in seiner Entscheidungsfindung wirklich sein?

Im Podcast spricht die Medizinethikerin Prof. Dr. Silke Schicktanz von der Universitätsmedizin Göttingen mit Isabella und Alina über die Voraussetzungen für eine wichtige Lebensentscheidung.

Darum geht es:

  • 00:00 – 02:04 Intro
  • 02:05 – 05:45 Erster Kontakt mit dem Thema Organspende
  • 05:46 – 11:21 Nachdenken über die eigene Bereitschaft zur Organspende, Vorstellungen über den Tod
  • 11:22 – 15:38 Freiheit und Unabhängigkeit der Entscheidung
  • 15:39 – 19:44 Wissen und Bauchgefühl zur Organspende
  • 19:45 – 21:30 Änderung der persönlichen Entscheidung zur Organspende
  • 21:31 – 23:25 Gespräche mit Angehörigen
  • 23:26 – 23:58 Outro

Fachredaktion: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Konzeption, Redaktion und Produktion: neues handeln AG, Jugendkulturhaus Cultra des Arbeiter-Samariter-Bundes Moderation: Elena Bavandpoori Musik: Nice Day von 4oresight Grafik: neues handeln AG

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BZgA – Podcast | Organspende – Meine Entscheidung

Elena Bavandpoori: Das ist „Sag mal ...: Über Organspende reden“, der Podcast der BZgA. Hier sprechen junge Menschen über Organspende. Viktoriia, die schon früh in ihrem Leben eine Organspende erhalten hat, und Lukas, der auf ein Organ warten muss. Außerdem mit dabei sind Expertinnen und Experten, die aus der Wissenschaft, aus dem Klinikalltag oder aus religiöser Sicht mit uns über Organspende reden.

Hallo zusammen, herzlich willkommen zur Podcast-Folge „Meine Organe - meine Entscheidung“. Ich bin Elena Bavandpoori und moderiere heute den Podcast und ich freue mich ganz besonders, dass heute mit mir sitzen: Einmal Isabella, hi!

Isabella: Hallo.

Elena Bavandpoori: Schön, dass Du da bist. Isabella ist 18, FSJlerin bei Passwort Cultra und Alina. Schön, dass Du da bist.

Alina: Hallo.

Elena Bavandpoori: Alina ist 15 und macht ihr Schülerpraktikum hier. Uns zugeschaltet ist Professor Dr. Silke Schicktanz, Professorin für Kultur und Ethik der Biomedizin in Göttingen. Hallo Frau Schicktanz.

Prof. Dr. Schicktanz: Hallo, ich grüße Sie alle.

Elena Bavandpoori: In dieser Folge geht es darum, wie man sich entscheiden kann, wie der Weg und der Prozess sein kann, ob man Organe spenden möchte oder eben nicht. Und ganz wichtig dabei ist, dass es eine total persönliche Entscheidung, auch ganz intim, weil es ja in den eigenen Körper eingreift und es kann lange dauern. Es sind heftige Themen, mit denen man sich auseinandersetzt. Da geht es um Tod. Und was passiert mit meinem Körper danach? Möchte ich da überhaupt drüber nachdenken? Und hier geht es nicht darum, eine Entscheidung zu treffen, sondern einfach zu sagen: Wir machen uns Gedanken darüber. Ich bin ganz glücklich, Alina und Isabella, dass ihr heute hier sitzt. Und ich würde gerne mal von euch wissen, was war so der erste Moment, wo ihr über Organspende nachgedacht habt? Kam das erst mit dem Podcast? Kam das schon vorher? Alina, magst Du mal anfangen?

Alina: Ja, gerne. Also meine ersten Gedanken waren, als ich gefragt wurde, ob ich hier gerne mitmachen will, weil davor habe ich nie was damit zu tun gehabt. Auch nicht in der Schule. Da wurde es nie erwähnt.

Elena Bavandpoori: Und wie war das bei dir, Isabella?

Isabella: Bei mir wurde das in der Schule mal kurz angesprochen, dass es so was gibt. Ich glaube, es wurde auch eine kleine Diskussionsrunde angefangen. Einfach um die Gedanken der Leute zu hören, aber weiter behandelt wurde es jetzt auch nicht. Ich habe mir erst wieder wirklich Gedanken darüber gemacht, als ich jetzt hier von diesem Podcast gehört habe

Elena Bavandpoori: In welchem Zusammenhang wurde es bei euch gemacht und wie lange ungefähr?

Isabella: Ich meine, das war nur eine Unterrichtsstunde, ein paar Minuten. Und ich erinnere mich leider nicht mehr ganz genau, aber ich glaube, es war im Biologieunterricht.

Elena Bavandpoori: Frau Schicktanz, wie würden Sie darauf reagieren, wenn Sie das hören? Eine Person hatte das für ein paar Minuten im Bio-Unterricht und die andere bis jetzt noch gar nicht. Das heißt, vielleicht gibt es auch Barrieren sich überhaupt damit auseinanderzusetzen. Wie nehmen Sie das wahr?

Prof. Dr. Schicktanz: Das ist auf jeden Fall ein ganz spannender Punkt, wie man überhaupt mit dem Thema konfrontiert wird. Und es gibt zum Beispiel auch in der Öffentlichkeit ganz viele Plakate. Die haben Sie vielleicht auch schon mal gesehen, wo an Bushaltestellen darauf aufmerksam gemacht wird. Aber vielleicht fühlen sich viele ja gar nicht direkt angesprochen. Ich finde es eine ziemlich spannende Frage, ob es eigentlich zum Beispiel richtig ist, Schülerinnen und Schüler schon in der Schule darauf anzusprechen. Und wenn es zum Beispiel im Schulunterricht vermittelt wird, fände ich es als Ethikerin sehr wichtig, dass hier die Lehrer auch gewappnet sind, dass es eben für viele Schüler, wie Sie schon gesagt haben, gar keine einfache, offensichtliche Entscheidung ist und dass es sehr wahrscheinlich ist, dass da ganz viele Fachfragen kommen, aber eben auch moralische Fragen. Und es muss eher ein Diskursraum eröffnet werden, wo erst mal alle Meinungen und auch Skepsis und Zurückhaltung möglich sein sollte. Das ist das, was ich wichtig finde.

Elena Bavandpoori: Mich würde interessieren, was hat das in euch ausgelöst? Vielleicht fängst Du noch mal an, Isabella. Wie war das für dich, als Du das in der Schule besprochen hast? Was ist für ein Gefühl bei dir hochgekommen?

Isabella: Also ich fand das interessant, auf jeden Fall. Ich glaube die ganze Klasse, fand das interessant. Aber trotzdem ist es halt ein schwieriges Thema. Keiner wusste genau, was man jetzt davon halten soll. Es wurden halt verschiedene Standpunkte erwähnt, aber mehr konnte man jetzt auch nicht machen. Wobei ich es aber besser finde, dass man im früheren Alter damit anfängt darüber nachzudenken und ich es eigentlich schon gut finde, wenn es in der Schule auch angesprochen wird. Wobei ich das Argument aber natürlich sehr verstehen kann, dass die Lehrer da auch gut gewappnet sein sollten und wahrscheinlich mehr in Ethik oder im Religionsunterricht drüber gesprochen werden sollte.

Elena Bavandpoori: Wie ist das bei dir, Alina? Was löst es in dir aus, wenn Du darüber nachdenkst, ob Du irgendwann vielleicht Organe spenden willst oder nicht? Oder einfach überhaupt mal diese Gedanken einmal durchzugehen?

Alina: Darüber habe ich halt noch nie wirklich nachgedacht, weil es noch nie angesprochen wurde in der Schule. An sich finde ich es halt sehr interessant zu hören beziehungsweise zu wissen, ob das gut ist oder nicht. Und ich würde es halt gerne in der Schule machen oder irgendwie, dass es angesprochen wird, damit man weiß, was gibt es dafür, was ist dagegen und dass die dann aufgeklärt werden.

Elena Bavandpoori: Macht dir das Angst oder Sorgen?

Alina: Ja, es macht mir schon ein bisschen Angst.

Elena Bavandpoori: Warum?

Alina: Weiß ich nicht. Einfach so ein Gefühl. Ich kann es nicht gut beschreiben.

Elena Bavandpoori: Kannst Du da vielleicht reingehen?

Isabella: Ich kann es auch nicht gut beschreiben, aber ich denke mal, es ist einfach ein Thema, wo man… man weiß nicht was nach dem Tod ist oder so, man weiß einfach nicht was passiert und egal wie viel die Wissenschaft sagen kann. Es ist immer noch so eine Frage: Was wäre wenn?

Elena Bavandpoori: Also ob vielleicht die Seele weiterlebt? Religiöse oder spirituelle Gründe?

Isabella: Und ich glaube einfach, diese Unwissenheit löst diese gewisse Angst aus.

Elena Bavandpoori: Wie gehen Sie damit um, Frau Schicktanz, wenn sie das hören?

Prof. Dr. Schicktanz: Ich finde, das ist ein absolut berechtigtes und ein ganz wichtiges Gefühl, weil natürlich das Thema Organspende, also vor allem die Entscheidung dafür oder dagegen, als allererstes es erforderlich macht, sich in die Vorstellung hineinzuversetzen: Ich bin sterblich. Das wissen wir im Prinzip zwar alle so ganz abstrakt, aber wir denken natürlich überhaupt nicht den ganzen Tag darüber nach. Und es gehört auch zum Menschsein und zu vielen unserer Handlungen im Alltag, dass aus guten Gründen auch zu verdrängen. Also eigentlich genauso uns zu verhalten und Dinge zu planen, ohne die ganze Zeit darüber nachzudenken, mir könnte jetzt was passieren, ich könnte mich schwer verletzen, ich könnte gleich sterben. Das löst natürlich ganz große Ängste aus. Und das ist ja nicht nur bei Jugendlichen, sondern auch bei vielen Menschen, zum Teil auch gerade wieder bei älteren Menschen. In dem Sinne finde ich es erst einmal ganz wichtig, sich auf dieser emotionalen Ebene auch mit dem Thema Organspende zu beschäftigen, weil natürlich der Begriff Organspende erstmal das Thema als etwas Positives rahmt. Man spendet. Das ist ja ein moralischer, altruistischer Akt. Wir sind solidarisch mit jemanden, der dieses Organ benötigt, aber für uns selber bedeutet diese Frage als allererstes, sich vorzustellen: Ich bin sterblich. Und dann muss man sich ja im zweiten Falle ganz konkret überlegen, wie funktioniert es überhaupt mit den Organen? Es kommt ja gar nicht jeder als Organspender oder als Organspenderin in Frage. Also muss ich mich dann eigentlich im nächsten Schritt nochmal mit dieser spezifischen Situation des Hirntods beschäftigen. Und dann kommen genau die berechtigten Zweifel, die Isabella angesprochen hat: Was ist denn eigentlich? Ist man wirklich tot, wenn man da Hirntod ist? Das sind ganz viele Fragen.

Elena Bavandpoori: Was macht das gerade mit euch? Könnt ihr das nachempfinden? Ist das vielleicht das, Alina, wo Du meintest, das kannst Du nicht beschreiben? Das ist eigentlich genau das, was sie dir jetzt so einmal in Worte gefasst hat?

Alina: Ja, auf jeden Fall.

Elena Bavandpoori: Wenn ihr möchtet und auch nur, wenn ihr möchtet: Würdet ihr sagen, an welchem Punkt in eurem Prozess ihr gerade seid? Also welche Gedanken euch kommen? Oder vielleicht auch, dass ihr denkt: Hey, ich habe einen festen Entschluss gefasst, obwohl das schwierig ist oder nicht? Ist da jemand von euch schon an dem Punkt?

Alina: Ja, ich bin schon an dem Punkt, wo ich meine, ich hätte mich entschieden. Es ist noch so ein bisschen so, dass ich denke, vielleicht auch nicht. Aber im Prinzip habe ich mich entschlossen. Es ist nur noch so ein bisschen, wo ich mir denke, vielleicht auch lieber nicht.

Elena Bavandpoori: Und kannst Du sagen, was zumindest diese leicht hohe Wahrscheinlichkeit bei dir, dann doch vielleicht irgendwann Organe zu spenden oder dafür überhaupt dich auszuweisen, was dich dazu gebracht hat?

Alina: Ich denke mir halt, wenn ich tot bin und dann meine Organe spende, dann kann ich damit anderen Leuten vielleicht das Leben retten. Aber ich weiß ja nicht, was nach dem Tod ist. Ob die Seele noch irgendwie lebt oder so. Das ist halt so unentschlossen. Aber an sich würde ich gerne Organe spenden, damit ich vielleicht anderen Leuten das Leben noch retten kann dass die dann noch leben können, wenn ich schon tot bin.

Elena Bavandpoori: Also genau dieser solidarische Gedanke, von dem sie eben gesprochen haben, tritt da irgendwie ein, Frau Schicktanz? Jetzt frage ich mich - das ist auch eine hohe Frage, eine philosophische Frage - aber wenn, dann können Sie die beantworten: Kann man sich überhaupt frei entscheiden? Oder ist es dann doch vielleicht irgendwie sozialer Druck oder das Gefühl von „Ich möchte was Gutes tun“, was so ein Prozess überhaupt erst voran schiebt? Gerade bei zum Beispiel Alina, die sagt, eigentlich hatte sie noch gar keine großen Berührungspunkte mit dem Thema.

Prof. Dr. Schicktanz: Ja, das ist wirklich eine ganz schwierige philosophische Frage, weil das so ein bisschen davon abhängt, wie man Freiheit definiert oder freie Entscheidungen definiert. Wenn man freie Entscheidungen als etwas definiert, bei dem man davon ausgeht, es dürften keinerlei Einflüsse von außen kommen, also es kommt nur ganz innen von mir raus, quasi wie ein Hungergefühl, um es mal so zu formulieren. Dann ist es, glaube ich, in diesem Verständnis fast gar nicht möglich, von einer freien Entscheidung jetzt im Rahmen der Organspende zu reden, weil es tatsächlich ja einen öffentlichen Diskurs gibt. Es gibt ein Gesetz, es gibt Kampagnen. Wir haben gehört, dass in Schulen darüber gesprochen wird. Das heißt, es ist auch die Idee, dass etwas ein guter Akt ist und dass wir darüber so reden. Das macht natürlich was mit uns. Und trotzdem, wenn man jetzt ein zweites Verständnis von Freiheit oder freier Entscheidung hat, dass ich jetzt hier eher vorschlagen möchte. Das geht davon aus, dass dann eine Entscheidung frei ist, wenn wir eben nach längerem Nachdenken zu der Erkenntnis für uns selbst gekommen sind, diese Entscheidung drückt am besten meine persönlichen Vorstellungen aus. Diese Vorstellungen sind natürlich geprägt, vielleicht von meinen Eltern, von meinen Freundinnen, wie ich so die politische Situation empfinde. Aber damit identifiziere ich mich. Das ist ein wichtiges Kriterium. Das zweite Kriterium ist, dass die Entscheidung dann frei ist, wenn ich alle wichtigen Informationen, die ich brauche, um zum Beispiel zu verstehen, hilft denn diese Organspende wirklich? Oder was passiert denn sonst vielleicht mit den Organen, die man da entnommen hat? Also das sind ja auch Wissensinformationen, die muss ich verstehen. Und die dritte Ebene, das ist, was die freie Entscheidung einschränken kann. Das wäre dann tatsächlich Zwang. Und ein bisschen geht auch schon der Begriff des sozialen Druckes dahin. Das gibt es manchmal in Familien, dass zum Beispiel vielleicht die Eltern oder die Geschwister sagen: Na, das musst du aber schon machen, das gehört sich so. Oder die Tante Soundso, die hat doch auch eine Nierenerkrankung und da muss man schon spenden. Das müssen wir als Familie so machen. In diesem Falle finde ich es eben auch problematisch, dann noch von einer freien Entscheidung zu sprechen, weil hier ganz klar sehr konkret sozialer Druck ausgeübt ist. Das wären so die drei Kriterien, von denen ich ausgehe, wenn wir die einhalten - also wir haben eine klare, korrekte Information: Was passiert da eigentlich? Um was geht es da eigentlich? Es gibt niemand in unserem sozialen nahen Umfeld, der auf uns direkt Druck ausübt und ich kann mich am Schluss mit der Entscheidung identifizieren. Dann würde ich sagen, ist es legitim, von einer freien Entscheidung zu reden und das ist dann trotzdem okay, dass wir auch wissen, wie andere Menschen darüber denken und dass uns das natürlich auch beeinflusst. Aber es hilft uns ja auch. Es gibt Argumente dafür und es gibt Argumente dagegen und die brauchen wir auch vielleicht alle. Und wir wollen die auch mal gehört haben, um uns dann auch unsere eigene Meinung bilden zu können.

Elena Bavandpoori: Jetzt finde ich ganz spannend, Sie sagen einerseits Zwang. Da ist dann vielleicht doch irgendwie die Freiheit eingeschränkt. Aber andererseits könnte man Freiheit eben so definieren, dass es dem eigenen Anspruch ans Leben gerecht wird. Und so eine Entscheidung eben auch. Was ich total interessant fand - übrigens sehr wichtig, dass Sie auch eine kritische Haltung dazu einnehmen und überhaupt nicht Partei ergreifen, sondern eher auch in Richtung des Hinterfragens des ganzen Systems gehen. Aber Sie sagen Wissensinformationen, informiert sein. Das ist anscheinend ein sehr wichtiger Faktor. Würden Sie sagen, informiert sein, was Organspende bedeutet, was das mit sich bringt und das Prozedere dahinter. das ist ein guter Weg, um überhaupt erst zu entscheiden? Das ist der beste Weg, also Bildung?

Prof. Dr. Schicktanz: Ja. Auf jeden Fall glaube ich, dass für so eine schwierige Entscheidung Bildung ein ganz zentraler Faktor ist. Aber man könnte trotzdem noch mal so ganz vorsichtig wieder kritisch fragen. Viele andere Entscheidungen in unserem Leben, also jetzt mal in meinem Alter über 50, die man auch rückblickend getroffen hat, sind auch sehr wichtig. Mit wem heiratet man und lebt dann viele Jahre zusammen? Bekommt man Kinder? Ja oder nein? Welchen Berufsweg schlägt man ein? Auch da hat man ja oft gar nicht so wirklich so gutes Wissen im Vorfeld, was hinterher passiert, sondern das ist natürlich ein Prozess…

Elena Bavandpoori: Das ist auch Bauchgefühl.

Prof. Dr. Schicktanz: Und das ist viel Bauchgefühl. Und natürlich geht es auch darum, auf den eigenen Bauch und auf seine eigenen Gefühle zu hören. Das finde ich genauso wichtig. Und ich glaube, Bildung oder Faktenwissen ist wichtig. Aber Sie lösen nicht die Entscheidung.

Elena Bavandpoori: Und gleichzeitig ist es offensichtlich eine Entscheidung, Sie sagen irgendwo zwischen genug informiert sein und auf seine Intuition hören. Was möchte ich vielleicht? Und um das jetzt so ein bisschen abzurunden, würde ich jetzt noch von euch beiden gerne wissen, Elena und Isabella, wie fühlt Ihr euch gerade? War das irgendwie schlüssig für euch? Fühlt ihr euch jetzt ein bisschen mehr mitgenommen? Ja, was macht das jetzt gerade an diesem Punkt mit euch, wo wir auch mit Frau Schicktanz sprechen?

Isabella: Also ich kann dazu sagen, dass ich mir das so eigentlich auch schon gedacht hatte. Und ich persönlich habe mir vorher nicht so viele Gedanken darüber gemacht, weil es halt ein schwieriges Thema ist. Und Menschen tendieren halt einfach dazu, schwierige oder unangenehme Dinge zu verdrängen. Aber wenn ich mir mehr Gedanken darüber mache, fällt mir immer mehr auf, dass mir doch Informationen hauptsächlich fehlen. Und deshalb würde ich das mit den Informationen auf jeden Fall unterstreichen, dass jeder Mensch deutlich aufgeklärt werden sollte. Und ich denke erst dann kann auch ein Bauchgefühl entstehen und eine Entscheidung letztendlich getroffen werden.

Elena Bavandpoori: Wie fühlst Du dich damit Alina? Geht es dir ähnlich?

Alina: Ja, mir geht es sehr ähnlich. Ich kann mich eigentlich nur anschließen.

Elena Bavandpoori: Also ich halte ein bisschen fest: Es ist eine schwierige Entscheidung. Es ist es auch gerade nicht einfach, sich damit zu konfrontieren, was könnte passieren nach dem Tod. Das wissen wir nicht, das können wir nicht bestätigen. Abgesehen davon, dass wir vielleicht ein Grundgefühl haben und eine Haltung. Das haben Sie jetzt auch letztlich bestätigt, Frau Schicktanz. Vielleicht ist also zusammenfassend eine Idee, sowohl informiert sein als auch in sich zu horchen und zu denken: Was möchte ich und was würde mir letztlich gut tun? Welche Entscheidung oder überhaupt auch welcher Weg ist einer, mit dem ich mich wohlfühle? Dann würde ich vielleicht noch mal den Ball an dich rüber werfen, Alina. Wenn Du sagst, Du hast eine Entscheidung getroffen. Hast du schon mal nachgedacht, wie es wäre, wenn Du vielleicht irgendwann dann doch nicht mehr möchtest?

Alina: Tatsächlich habe ich jetzt nicht darüber nachgedacht, dass ich es dann rückgängig mache. Aber wenn ich es rückgängig machen will, dann würde ich es halt rückgängig machen.

Elena Bavandpoori: Und genau dazu: Das geht! Frau Schicktanz, Sie haben da mehr Informationen zu.

Prof. Dr. Schicktanz: Das ist ganz wichtig, dass man das wieder rückgängig machen kann. Das heißt, man kann einen Ausweis ändern. Man kann das woanders schriftlich vermerken, dass man seine Meinung geändert hat. Und es ist wahrscheinlich unrealistisch, dass man jeden Tag seine Meinung die ganze Zeit ändert, weil man sich jedes Mal wieder damit beschäftigen müsste. Aber ich finde, dass ist auch noch mal ein Entspannungsmoment. Zu sagen, ich beschäftige mich damit. Ich komme jetzt zu einem Entschluss, aber es kann sein, dass in zehn Jahren in ihrem Leben etwas passiert, was Sie noch mal neu darüber ins Nachdenken bringt. Und dann kann man das wieder ändern und es ist nichts endgültiges in Stein gemeißelt. Und das kann auch noch mal für viele Jugendliche vielleicht ein wichtiger Punkt sein sich, dass man sich vielleicht immer wieder mal damit beschäftigt. Keiner kann einen festlegen: Sie haben aber vor 15 Jahren das gesagt und das, was Sie letzte Woche gesagt haben, gilt nicht mehr. Im Gegenteil, es gilt immer das, was man als allerletztes gesagt hat.

Elena Bavandpoori: Das ist keine finale Entscheidung und damit vielleicht auch ein bisschen mehr Ruhe, dass man merkt: Okay, das ist doch nicht so ganz gewaltig, sondern ich habe immer die Kontrolle darüber, was mit mir passiert. Bis eben dann irgendwann der Punkt eintritt, über den eben auch geredet werden muss. Nämlich der Tod, wo dann keine Kontrolle mehr besteht. Aber im besten Fall, wenn man dann schon entschieden hat, entscheiden nicht mehr andere über einen.

Prof. Dr. Schicktanz: Genau. Das ist die Idee, wieder stark zu machen, dass man seine eigene Entscheidung trifft und es vielleicht nicht anderen überlassen muss. Aber vielleicht will man das eben auch nicht anderen überlassen. Und es gibt auch Leute, die zu der Entscheidung kommen, dass sie es besser finden, dass die Angehörigen das entscheiden, weil die dann zum Beispiel die sind, die ja auch in der Situation damit konfrontiert werden. Und da kann es natürlich sinnvoll sein, das auch mit denen zu besprechen. Nach dem Motto: Ich möchte es nicht entscheiden. Ihr müsstet es dann machen.

Elena Bavandpoori: Habt ihr schon mal mit jemandem darüber gesprochen?

Isabella: Mit einer Freundin vielleicht und sonst nicht so wirklich.

Alina: Also als ich gefragt wurde, ob ich hier mitmachen will, habe ich mit meiner Mutter dann darüber geredet, weil ich noch keine Ahnung davon hatte. Und meine Mutter hat auch einen Organspendeausweis, mein Vater auch. Und dann habe ich mit meinen Eltern ein bisschen darüber geredet, dann haben die mir ein paar Sachen erklärt.

Elena Bavandpoori: Also auch ganz spannend: Austausch. Um das dann auch noch mal festzuhalten: Information, Bauchgefühl, Austausch. Super. Vielen lieben Dank.

Das war „Sag mal ...: Über Organspende reden“. Der Podcast, bei dem junge Menschen über Organspende sprechen. Eine Reihe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Kooperation mit dem Jugendkulturhaus Cultra des Arbeiter-Samariter-Bundes. Weitere Infos zum Thema findet ihr auf der Internetseite der BZgA unter organspende-info.de oder Ihr stellt Eure Fragen am Info-Telefon unter der kostenfreien Telefonnummer 0890 / 40 400.

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