Was macht eine Lebendspendekommission?
Shownotes
Herzlich willkommen zur achten Folge des Podcasts „Sag mal …: Über Organspende reden“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
In dieser Folge nähern wir uns der Antwort auf die Frage: Ist eine freie Entscheidung für oder gegen Organspende überhaupt möglich, wenn es um das Leben von Angehörigen geht?
Im Gespräch mit der Ärztin Monika Schutte von der Lebendspendekommission Nordrhein wird deutlich, warum es für mögliche Spenderinnen und Spender wichtig ist, dass die Freiwilligkeit zur Entscheidung für eine Lebendorganspende von einer unabhängigen Kommission geprüft wird.
Darum geht es:
- 00:00 – 01:05 Intro
- 01:06 – 05:47 Die Lebendspendekommission
- 05:48 – 06:48 Die Bedeutung der Spender-Empfänger-Beziehung
- 06:49 – 08:34 Wer sind typische Spender?
- 08:35 – 10:06 Nachdenken: Kann ich mir vorstellen, Lebendspender/in zu sein? Der Einfluss auf das weitere Leben der spendenden Person und auf die Spender-Empfänger Beziehung
- 10:07 – 11:56 Mögliche kritische Spender-Empfänger-Konstellation
- 11:57 – 13:07 Was sollten Spender und Empfänger über die Lebendorganspende wissen?
- 13:08 – 15:05 Spenderauswahl durch das Transplantationszentrum und das Votum der Lebendspendekommission
- 15:06 – 16:32 Vermeidung von Organhandel durch gesetzliche Einschränkung des Spenderkreises
- 16:33 – 20:02 Schutz der Spenderin/des Spenders durch die Kommission
- 20:03 – 21:49 Zusammenfassung Aufgabe der Lebendspendekommission
Fachredaktion: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Konzeption, Redaktion und Produktion: neues handeln AG, Jugendkulturhaus Cultra des Arbeiter-Samariter-Bundes Moderation: Elena Bavandpoori Musik: Nice Day von 4oresight Grafik: neues handeln AG
Links
- organspende-info.de
- Voraussetzungen bei einer Lebendorganspende
- Flyer „Lebendorganspende – Voraussetzungen und Rahmenbedingungen“
- Infotelefon Organspende: nimmt montags bis freitags zwischen 9 und 18 Uhr unter 0800 90 40 400 kostenfrei Anrufe entgegen.
Transkript anzeigen
Podcast „Sag mal: …über Organspende reden“
Episode 8: Was macht eine Lebendspendekommission?
Episode 8: Kapitel
00: 00-01:05 Begrüßung und Vorstellung
01: 06 – 05:47 Die Lebendspendekommission
05: 48 – 06:48 Die Bedeutung der Spender-Empfänger-Beziehung
06: 49 – 08:34 Wer sind typische Spender?
08: 35 – 10:06 Nachdenken: Kann ich mir vorstellen, Lebendspender/in zu sein? Der Einfluss auf das weitere Leben der spendenden Person und auf die Spender-Empfänger Beziehung.
10: 07 – 11:56 Mögliche kritische Spender-Empfänger-Konstellation
11: 57 – 13:07 Was sollten Spender und Empfänger über die Lebendorganspende wissen?
13: 08 – 15:05 Spenderauswahl durch das Transplantationszentrum und das Votum der Lebendspendekommission
15: 06 – 16:32 Vermeidung von Organhandel durch gesetzliche Einschränkung des Spenderkreises
16: 33 – 20:02 Schutz der Spenderin/des Spenders durch die Kommission
20: 03 – 21:49 Zusammenfassung Aufgabe der Lebendspendekommission
20: Transkript
00: 00-01:05: Begrüßung und Vorstellung
Elena Bavandpoori: Das ist „Sag mal: …über Organspende reden“, der Podcast der BZgA. Hier sprechen junge Menschen über Organ- und Gewebespende. In dieser Episode geht es um die Lebendspendekommission. Welche Aufgaben erfüllt so eine Kommission, wenn eine Lebendorganspende grundsätzlich möglich ist? Warum ist das Gespräch mit einer unabhängigen Kommission überhaupt so wichtig? Und ist eine freiwillige Entscheidung für oder gegen eine Lebendorganspende überhaupt möglich, wenn ein naher Verwandter extrem auf ein Organ angewiesen ist?
Hallo zusammen, herzlich willkommen zu einer weiteren Folge von „Sag mal: …über Organspende reden“. Mein Name ist Elena Bavandpoori, ich moderiere den Podcast. Dazu sitzen mit mir hier Emily und Carl – unsere neugierigen Teilnehmenden. Hallo, ihr beiden.
Emily: Hi.
Carl: Hallo.
Elena Bavandpoori: Und wir dürfen Dr. Monika Schutte von der Lebendspendekommission bzw. Kommission Transplantationsmedizin NRW willkommen heißen. Hallo!
Dr. Monika Schutte: Hallo zusammen!
01: 06 – 05:47: Die Lebendspendekommission
Elena Bavandpoori: Schön, dass ihr alle da seid. Ich freue mich total, über dieses Thema zu sprechen und vielleicht, Frau Schutte direkt an Sie, damit wir einsteigen: Die LSK, die prüft ja, ob Spendende freiwillig eine Spende leisten oder nicht. Jetzt frage ich mich – vielleicht auch relativ provokant – wenn da jemand vor Ihnen sitzt und sagt, „ich möchte spenden“, die Person ist fit, die spricht mit Ihnen. Was gibt es denn da noch zu prüfen? Die Person hat ja Mitspracherecht und die sitzt da vor Ihnen und sagt „ja, ich möchte es machen.“
Dr. Monika Schutte: Ja, wenn die Person so überzeugend auftritt, dann hat die Lebendspende Kommission auch sicher nicht viel Schwierigkeiten, sich das anzueignen und davon überzeugt zu sein.
Elena Bavandpoori: Was muss denn da geprüft werden?
Dr. Monika Schutte: Bei solchen Gesprächen wird das Augenmerk gerichtet auf die Freiwilligkeit im Sinne einer autonomen Entscheidung. Also es kann durchaus sein oder ist auch vielfach so, dass Lebendorganspender oder potenzielle Spender sehr unter Druck stehen, weil der Angehörige, um den es da gehen mag, sehr leidet. Das nimmt jeden mit und man empfindet dann natürlich auch einen Druck. Bei der Kommission geht es aber nicht darum, ob man oder ob man jetzt einen sehr großen inneren Druck verspürt, sondern dass man diese Entscheidung, das frei entscheidet, freier Wille, autonomer Wille und dazu gehört auch die Aufgeklärtheit über potenzielle Risiken, die man selber eingeht, auch über Risiken, die der Spender eingeht, die ihn betrifft, vielleicht von seinem grundsätzlichen Gesundheitszustand aus und es geht auch um dessen Chancen, von der Transplantation zu profitieren. Und wenn sich ein Spender da informiert zeigt und das der Kommission glaubhaft im Gespräch nahebringt, dann wird die Kommission die Zustimmung geben.
Elena Bavandpoori: Dazu muss man ja zum Kontext sagen: Jede Lebendorganspende geht an dieser Kommission vorbei – also da müssen sich die Spendenden quasi erst mal präsentieren und das wird geprüft.
Dr. Monika Schutte: Richtig, das ist richtig.
Emily: Und dann werden Fragen gestellt, anhand derer man die Autonomie einer Person quasi oder die Beweggründe einer Person ein bisschen nachvollziehen kann? Oder gibt es da bestimmte Indikatoren im Gespräch, wo man vielleicht so ein bisschen dran merkt, wie die Freiwilligkeit irgendwie ist?
Dr. Monika Schutte: Es ist so, dass die Kommission sich auf so ein Gespräch jeweils im Vorfeld vorbereitet hat, dann anhand von Unterlagen, die das Transplantationszentrum zur Verfügung stellt. Das ist die medizinische Situation von beiden Partnern, also Empfänger, Spender und dann auch eine psychologische Beurteilung, aus der die Kommission schon sich im Vorfeld einen gewissen Voreindruck gemacht hat. Und dann findet ein persönliches Gespräch statt, das fast immer nur mit dem Spender geführt wird. Selten wird auch mal der Empfänger angehört, denn es geht ja eigentlich auch nur um den Spender, Spenderschutz. Und in diesem Gespräch wird sich die Kommission, die ja auch aus Menschen besteht, die durchaus Menschenkenntnis haben, die lassen sich das im Gespräch quasi zeigen.
Elena Bavandpoori: Ja, weil sie gerade sagen, „die Menschen, aus denen das besteht“, Kommission klingt ja nach so einem riesigen Wort, als würden da 15 Leute vor einem sitzen wie eine Jury, die dann sagt, „du bist in der Lage, jetzt das freiwillig entschieden zu haben, ein Organ zu spenden.“ Wer sitzt da vor einem?
Dr. Monika Schutte: Die Kommission besteht jeweils aus drei Personen. Das ist ein Vorsitzender, meistens ist es ein Richter – das Gesetz sagt man muss zum Richteramt befähigt sein – dann eine psychologisch erfahrene Person und ein Arzt. Das sind immer die drei.
Elena Bavandpoori: Carl, jetzt wo du hier schon bei uns sitzt, du studierst ja Psychologie…
Carl: Genau.
Elena Bavandpoori: Versetz dich mal in die Lage, sowas beurteilen zu müssen. Ich meine, natürlich, du bist nicht in der Position, ist eigentlich hypothetisch gefragt. Das machen ja Leute, die zig Jahre Expertise haben, aber trotzdem glaube ich, dass da ja schon viel Verantwortung hinter steht, so eine, so eine Aufgabe zu haben. Und die Kommission besteht ja aus Menschen, die das aus dem Ehrenamt heraus machen, also wirklich selbst entscheiden, dass sie das machen wollen. Und das finde ich einfach wichtig, also auch noch mal spannend zu wissen, vielleicht, wenn du dir vorstellen kannst, in zehn Jahren, stell mal vor, du machst so was – versetz dich mal in die Lage, das finde ich jetzt spannend zu hören.
05: 48 – 06:48: Die Bedeutung der Spender-Empfänger-Beziehung
Carl: Das ist eine gute Frage. Mich würde vor allem die Frage interessieren, inwiefern es um den Spender geht. Also Sie meinten ja gerade schon, es wird das Gespräch hauptsächlich mit dem Spender geführt. Aber inwiefern auch die Beziehung zwischen Spender und Empfänger mit einbezogen wird in die Evaluation, quasi, ob eben ein Ja gegeben wird oder ein Nein von der Kommission – inwiefern da betrachtet wird, ob es da Machtgefälle gibt und so weiter.
Dr. Monika Schutte: Die Beziehung wird auf jeden Fall sehr diffizil beleuchtet, denn der potenzielle Spender wird ja auch aufgefordert, den Prozess, seine Entscheidungsfindung zu beschreiben. Das enthält natürlich auch immer eine Schilderung der Anamnese, also der Krankheitsgeschichte des Empfängers. Es geht ja gar nicht ohne diese Aspekte. Und indem man auch schildert, wie und warum man die Entscheidung getroffen hat, Spenden zu wollen. Das ist immer im Kontext mit der Beziehung.
06: 49 – 08:34: Wer sind typische Spender?
Elena Bavandpoori: Welche Leute sind es, die hauptsächlich auf Sie zukommen, die dann in der Kommission sitzen? Sind es meistens – weil wir jetzt viel über Familien gesprochen haben – zum Beispiel Eltern, die für ihr Kind spenden?
Dr. Monika Schutte: Ja, das sind ganz häufig Eltern, die für ein Kind eine Niere spenden. Aber was auch nicht übersehen werden soll, das sind Ehepartner oder Lebenspartner, die füreinander eine Niere spenden wollen. Das ist würde ich sagen, das Gros der Anzuhörenden.
Carl: Gibt es da in der Familie besonders häufige Konstellationen? Ich habe zum Beispiel in einem Video der Uni Göttingen habe ich gesehen, dass es häufiger wohl sein soll, dass zum Beispiel Frauen für ihre Männer spenden als andersherum. Gibt es da irgendwie, meinen Sie irgendwelche sozialen Konstrukte, die besonderen Druck erzeugen können oder ein besonderes Verantwortungsbewusstseinsgefühl eben in die Richtung.
Dr. Monika Schutte: Das hat mich auch interessiert, weil ein leichtes Übergewicht zugunsten von Frauen besteht, die häufiger an Männer spenden als umgekehrt. Es ist nicht extrem. Mir ist keine Untersuchung dazu bekannt, obwohl das immer mal so in aller Munde ist. Es mag aber auch medizinische Gründe (s. Hintergrundinformationen S. 36) geben – das hat mir mal ein Kollege aus dem Transplantationszentrum erklärt, dass es häufiger auch ist, dass Frauen Antikörper haben gegen das Gewebe ihres Partners, sofern der Partner Vater gemeinsamer Kinder ist, sodass man in der Schwangerschaft eventuell ungünstige Antikörperkonstellationen gegenüber dem Partner entwickelt hat. Das wäre jetzt ein medizinischer Grund, den ich aber sonst auch noch nicht weiter gehört habe – das scheint mir aber nicht ganz unplausibel.
08: 35 – 10:06: Nachdenken: Kann ich mir vorstellen, Lebendspender/in zu sein? Der Einfluss auf das weitere Leben der spendenden Person und auf die Spender-Empfänger Beziehung
Elena Bavandpoori: Tatsächlich. Also einfach, um noch mal so eine Frage einzuwerfen, wie das vielleicht aussehen könnte, wenn man akut in der Situation ist, zu spenden. Ich werfe einfach mal das Beispiel rein: Emily, du sollst jetzt zum Beispiel an deine Mutter spenden, eine Niere, sagen wir mal. Du bist 22. Was für Gedanken würden dir da durch den Kopf gehen, wenn du auf einmal vor dieser Lebensentscheidung ja auch stündest, ich soll jetzt ein Organ spenden.
Emily: Also ich glaube, da wäre auf jeden Fall einerseits erst mal so klar irgendwie egoistisch gedacht: Irgendwie so ein bisschen wie verändert das, oder was hat das für einen Einfluss auf mein späteres Leben? Was ist, wenn ich noch mal – also ich meine, 22 ist ja noch ziemlich jung, würde ich sagen – und da hat man ja eigentlich noch wirklich viel irgendwie an Einflussfaktoren, die auch auf die eigene Gesundheit irgendwie Einfluss nehmen können im Laufe des Lebens. Und auf der anderen Seite aber auch: Wie wird dadurch die Beziehung, die ich zu meiner Mama habe, vielleicht irgendwie beeinflusst? Also ich kann mir gut vorstellen oder ich denke mal, dass es auf jeden Fall einen Einfluss darauf hat, weil das ja irgendwie etwas ist, was irgendwie auch wahrscheinlich total verbindet, aber wo man vielleicht auch in ein Abhängigkeitsverhältnis kommt, wo man vielleicht gar nicht so schnell wieder rauskommt oder wo man vielleicht gar nicht immer drin sein möchte.
10: 07 – 11:56: Mögliche kritische Spender-Empfänger-Konstellation
Elena Bavandpoori: Ja, total. Also so das Prinzip von Gegenleistung oder was anderes dann dafür erwarten. Ich meinte ja eben schon bei, mir in der Familie wird sich darum gestritten, wenn mal Geld verliehen wird und wird nicht pünktlich zurückgegeben. Wir sprechen hier über Organe, die ja auch im schlimmsten Fall dann vielleicht bei einer Spende nicht von der Person körperlich angenommen werden können, wo das Organ abgestoßen wird. Frau Schutte, wie würden Sie so ein Fall bewerten, wenn eine junge Person – man darf ab 18 eine Lebendorganspende machen – sagen wir eine 18-Jährige oder die 22-jährige Emily vor ihnen stünde und sagen müsste, „ich will jetzt eigentlich ein Organ spenden an meine Mutter.“ Wie würde sich das in dem Fall für Sie anfühlen?
Dr. Monika Schutte: Oh, das würde sich sehr kritisch für mich anfühlen, weil die Kommission, soweit ich mich erinnern kann, also so einen ganz extremen Fall, glaube ich, noch nicht beurteilen musste – Also eine Spenderin in Ihrem Alter, 22, für ein Elternteil. Da würde jeder, glaube ich, die Fragen in die Richtung stellen, ob es nicht eine Alternative gibt. Denn man muss ja auch überlegen, es geht bei der Nierenspende nicht um eine Frage von Leben und Tod für den Empfänger, sondern es geht um die Frage, Transplantation durch einen Lebendspender oder Dialyse. Wir haben in der Kommission auch vielfach die Konstellationen, in denen der Lebendspender, wenn der nicht der Ehepartner des betroffenen Kranken ist, sondern aus dem Freundeskreis meinetwegen kommt oder weitere Verwandtschaft, dass Menschen sagen, „ne, also die Kinder hätten wir nie gefragt.“
11: 57 – 13:07: Was sollten Spender und Empfänger über die Lebendorganspende wissen?
Elena Bavandpoori: Was gibt es denn sonst noch für Lebendorganspenden?
Dr. Monika Schutte: Außer Nieren, sie machen den Großteil aus. Es gibt auch die Möglichkeit lebend einen Teil seiner Leber zu spenden. Das ist allerdings operativ auch mit größeren Risiken für den Spender verbunden. Allerdings erholt sich die Leber wieder ganz gut – das ist da auch wieder ein positiver Aspekt. Wird aber relativ selten durchgeführt.
Elena Bavandpoori: Also wenn wir mal zum Beispiel bei der Niere bleiben und jetzt bei so einem Fall wie eine junge Person, da würden Sie also sagen, da gibt es große Bedenken. Was würden Sie sich wünschen, was Leute bei einer Lebendorganspende wissen? Klar, da kommen vielleicht Leute, die dann denken, „ich muss jetzt ein Familienmitglied retten.“ Was gäbe es vielleicht, was Sie als Appell hätten an solche Personen?
Dr. Monika Schutte: Also es ist sicher so, dass die Auswahl dieser Konstellation schon im Transplantationszentrum erfolgt. Das heißt also, dass auch Menschen.
Elena Bavandpoori: Erklären Sie das noch mal, diese Vorauswahl.
13: 08 – 15:05: Spenderauswahl durch das Transplantationszentrum und das Votum der Lebendspendekommission
Dr. Monika Schutte: Das Transplantationszentrum trifft die Auswahl bei den Menschen, die sich bei Ihnen überhaupt vorstellen mit einem Wunsch nach einer Transplantation und das Transplantationszentrum macht natürlich auch eine sehr genaue Aufklärung und auch eine Selektion. Es gibt ja Konstellationen, die schon medizinisch nicht in Frage kommen, aber es gibt auch schon Konstellationen, die im Zentrum aufschlagen, aber nicht mehr bei der Kommission, die aus psychologischen Gründen gar nicht in Frage kommen.
Elena Bavandpoori: Also es gibt erst die Instanz Transplantationszentrum, da wird quasi vorentschieden und dann geht es in die Kommission.
Dr. Monika Schutte: Genau.
Elena Bavandpoori: Und deswegen wird dann vielleicht in der Kommission auch relativ wenig abgelehnt oder gibt es oft eine Zustimmung bei so einer Entscheidung, weil halt so eine Vorentscheidung auch stattfindet.
Carl: Wie häufig wird das so abgelehnt bzw. kommt keine Zustimmung von der Kommission?
Dr. Monika Schutte: Das ist relativ selten. Also bei einem Schnitt von, sage ich jetzt mal 150, 160, vielleicht auch 170 Anhörungen im Jahr, die in NRW erfolgen, werden vielleicht 1 bis 3 Menschen als Spender abgelehnt in Anführungszeichen, also dass man keine Zustimmung gibt.
Elena Bavandpoori: Okay, also sehr, sehr wenige.
Dr. Monika Schutte: Sehr wenige.
Emily: Und was ist dann da so der häufigste Grund?
Dr. Monika Schutte: In den Fällen würde ich sagen, spontan, das häufig an der mangelnden Aufklärung liegt, denn zur Freiwilligkeit gehört nicht nur die autonome Willensentscheidung, sondern die kann man nur akzeptieren, wenn derjenige auch gut aufgeklärt ist über die Risiken, die er selber eingeht. Und zwar im unmittelbaren Kontext mit der Operation, aber auch im Langzeitverlauf. Und er muss natürlich auch Bescheid wissen, wie die Chancen beim Empfänger stehen, denn wenn der schon sehr krank ist, dann hat auch das Transplantat irgendwie nicht so eine gute Langlebigkeit. Das muss alles berücksichtigt werden.
15: 06 – 16:32: Vermeidung von Organhandel durch gesetzliche Einschränkung des Spenderkreises
Elena Bavandpoori: Wir haben ja jetzt super viel über den familiären Kontext gesprochen und wie man innerhalb der Familie spendet. Ein anderes Thema ist sowas wie Organhandel (s. Kasten Seite 12) – wenn also jemand vor der Kommission sitzt und man beurteilen muss und abchecken muss, „macht die das vielleicht aus finanziellen Motiven?“ Wie sehen Sie das?
Dr. Monika Schutte: Ja, dazu muss man sagen, dass das Gesetz ja einen sehr engen Kreis von möglichen Lebendorganspendern vorsieht.
Elena Bavandpoori: Nämlich?
Dr. Monika Schutte: Nämlich, es sind Ehepartner, Lebenspartner, Verlobte einerseits Verwandte ersten und zweiten Grades und dann Personen, die sich offenkundig persönlich sehr nahestehen. Bei der dritten Kategorie kann es ja auch sein, dass jemand, der hier in Deutschland in guten Verhältnissen lebt, dann mit einem potenziellen Spender aufwartet, der aus einem Kriegsgebiet möglicherweise kommt, der möglicherweise eine Generation jünger ist und nicht glaubhaft darlegen kann, dass während der letzten Jahre eine gute Beziehung zwischen den beiden auch gelebt wurde. Also da könnte man sich dann auch fragen, ob da möglicherweise monetäre Vorteile eine Rolle spielen. Beweisen können wird man das nicht. Dann würde das aber natürlich auch im Kontext mit einer in Frage zu stellenden Freiwilligkeit stehen.
16: 33 – 20:02: Schutz der Spenderin/des Spenders durch die Kommission
Emily: Wobei ich mir jetzt die ganze Zeit Gedanken gemacht habe, auch noch mal zum Stichwort Organhandel: Also es ist ja total gut und wichtig, dass wir da gesetzliche Regelungen haben, weil es natürlich illegal ist und natürlich irgendwie nicht gut, aber irgendwie stelle ich mir das total schwierig vor, da irgendwie moralisch mit umgehen zu gehen. Weil natürlich, ich könnte, wenn ich jetzt in der Situation wäre, könnte ich mir vorstellen, dass ich so dieses Bedürfnis hätte, mein Familienmitglied irgendwie zu unterstützen, egal welchen Weg ich da gehen muss. Und ich denke mal, das könnten wahrscheinlich auch viele so von sich behaupten. Deshalb stelle ich mir das irgendwie schwierig vor, da vielleicht auch eine Ablehnung zu geben, weil es ja irgendwie auch so aufgeladen ist, emotional aufgeladen.
Dr. Monika Schutte: Ja. Das würde die Kommission auch so empfinden, dass jemand unter großem Druck steht, helfen zu wollen. In dem Fall wäre aber natürlich auch das Gespräch, würde das Gespräch in die Richtung geleitet werden, dass derjenige sich auch der Situation für sich selber klar werden muss. Also ein denkbarer Ablehnungsgrund für die Kommission wäre zum Beispiel, wenn jetzt ein junger Mensch, gerade wie Sie bei einem, sage ich jetzt mal, Geschwister, das schon lange krank ist, mal gesagt hat, so im Grundschulalter oder gerade mal zehn elf, „wenn du eine Niere brauchst, dann wirst du meine bekommen“, dann ist vielleicht der der Bedarfsfall, sagen wir mal 15 Jahre später und die eigene Lebenssituation hat sich geändert und man steht dann aber auch vielleicht unter dem Druck seines eigenen Versprechens. Dann würde die Kommission schon, wenn sie das heraus spürt, dass da eine Selbstbindung an dieses vormals gegebene Versprechen besteht, aber aufgrund der Veränderung, die man selber im Laufe des Erwachsenenlebens genommen hat, dass man da gerne auch aus der Nummer raus käme, dann würde die Kommission auch sicher die Zustimmung nicht geben und das auch entsprechend begründen können. Dann wäre die Enttäuschung bei dem potenziellen Spender auch sicher nicht so groß, nur vielleicht beim Empfänger, aber da muss man andere Wege dann gehen.
Elena Bavandpoori: Das heißt, es kann sein, dass die Kommission eine Entscheidung für den Spender, die Spenderin trifft, weil die das nicht mehr alleine durchziehen kann, tragen kann?
Dr. Monika Schutte: Genau das würde ich auch als wichtig sehen, als Aufgabe der Kommission. So gab es ja auch zum Beispiel im Jahr 2019 zwei sehr aufsehenerregende Urteile des Bundesgerichtshofs (s. Hintergrundiformationen S. 36). Da ging es auch um fehlende oder unzureichende Aufklärung eines Spenders, also jetzt in einer ganz anderen Konstellation. Aber das Fazit des Bundesgerichtshofs lautete damals auch in dem Urteilsspruch: Es geht auch um den Schutz des Spenders vor sich selbst. In dem Kontext kann man das vielleicht auch dann auf das andere Beispiel übertragen.
Elena Bavandpoori: Haben Sie schon mal Reaktionen von Spendern erlebt, die also, wo Sie dann dachten, „ja, ich glaube, die Person ist doch froh, das nicht machen zu müssen.“
Dr. Monika Schutte: Solche Reaktionen haben wir erlebt, genau wie es schon mal vorgekommen ist, dass sich Leute um den Hals fallen vor Freude, dass wir das andere, wenn die Kommission, die Zustimmung gibt. Also so Emotionen kommen auf jeden Fall auch dann vor der Transplantationskommission hoch und ja.
20: 03 – 21:49: Zusammenfassung Aufgabe der Lebendspendekommission
Elena Bavandpoori: Gut, das heißt, ich fasse mal zusammen: Die Lebendspendekommission oder Kommission Transplantationsmedizin besteht immer aus drei fachkundigen Menschen, die sich einen Spender, eine Spenderin anhören, die prüfen, ob die Person das freiwillig macht so eine Spende und das Gute ist, dass schon eine Vorentscheidung getroffen wird über die Transplantationszentren, sodass quasi das relativ oft hier in Deutschland durch geht. Ich habe jetzt für meinen Teil noch gelernt, da ist super viel Gefühl und auch Feingefühl nötig, um diese Entscheidung zu treffen – sowohl aus der Kommission, aber auch für Spender Spenderin, dass man da sehr gut überlegt rangehen soll. Und eine Sache, die mich freut zu hören ist, dass durch die enge Gesetzgebung in Deutschland Organhandel irgendwie ganz gut ausgeschlossen werden kann. Dann danke ich euch vielmals, dass ihr dabei wart, dass wir so viel lernen durften, dass wir Fragen stellen konnten und damit war's das von unserer Folge zur Lebendorganspende und LSK. Danke fürs Dabeisein und danke fürs Zuhören.
Das war „Sag mal ...: Über Organspende reden“. Der Podcast, bei dem junge Menschen über Organspende sprechen. Eine Reihe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Weitere Infos zum Thema findet ihr auf der Internetseite der BZgA unter organspende-info.de oder Ihr stellt Eure Fragen am Info-Telefon unter der kostenfreien Telefonnummer 0800 90 40 400.
Neuer Kommentar